Die klassischen, uns bekannten Rebsorten wie Riesling, Sauvignon Blanc, Spätburgunder oder Merlot brauchen, um zu überleben, eine Menge Spritzmittel. Verzichtet die Winzerin auf diesen so genannten Pflanzenschutz, befallen Pilzkrankheiten die Rebe und über kurz oder lang geht sie ein. Trauben kann man dann jedenfalls keine mehr ernten. Um mit weniger Spritzmitteln auszukommen, werden pilzwiderstandsfähige Rebsorten gezüchtet. Mehr Infos zu diesen so genannten Piwis findest du hier.
Um die Sorten bei jungen Weinfans bekannter zu machen und einen Eindruck zu gewinnen, welche besonders gut ankommen, haben wir die Winzer*innen eingeladen, insbesondere ihre Piwi-Weine einzusenden. Kleiner Spoiler: Es ist nicht so, dass dem jungen, unvoreingenommenen Publikum ein genereller Unterschied zwischen den Piwis und den bekannten Rebsorten aufgefallen wäre. Einige Sorten haben schon ein klares Profil, bei anderen müssen die Winzer vielleicht noch ein paar Jahrgänge Erfahrung sammeln. Wollen wir die Qualität von Piwis und herkömmlichen Reben vergleichen, müssen wir beachten, dass Piwis häufig für die einfacheren Weine eingesetzt werden. Sie stehen selten in den besten Lagen, die meist Spätburgunder, Riesling und Co vorbehalten sind. Nicht selten landen sie in Cuvées mit Namen, die keinen Rückschluss auf die verwendeten Reben zulassen. Es zeigt sich allerdings ein deutlicher Trend: der Mut, Piwis oberhalb des Basissegments zu platzieren, zahlt sich aus!
Die Bewertungen in den top 30 sind auch bei den Piwis unglaublich gut. Die Weine kamen super an und es findet sich für alle Geschmäcker etwas: frische easy-to-drink Weißweincuvées, fruchtige Rosés, aromatische Rebsortenweine aus Cabernet Blanc und Muscaris, zurückhaltendere Weiße aus Souvignier Gris, ein steirischer Naturwein, animierende Winzersekte aus Johanniter und nicht zuletzt vollmundige Rotweine. Piwis sind in der Lage, die Vielfalt der Weinwelt abzubilden. Und man kann mit ihnen, wenn man ihnen die gebotene Aufmerksamkeit schenkt, richtig gute Weine keltern!
Das Weingut Klopfer war jetzt auch schon ein paar Mal dabei - meistens recht weit oben im Tableau. So auch dieses Mal. Der Mauerpfeffer ist der bestplatzierte Piwi-Wein der Verkostung. Die Rebsorte hat noch keinen richtigen Namen und läuft unter ihrer Züchternummer VB Cal. 1-22. Viel ist nicht bekannt über die Sorte und besonders verbreitet ist sie auch nicht. Bei unserer Verkostung war der Mauerpfeffer der einzige Wein dieser Rebe. Sie soll mit der italienischen Sangiovese verwandt sein, der Wein ist allerdings deutlich dunkler - nicht nur optisch, sondern auch in der Beerenaromatik. Der Charakter ist zunächst würzig-kräutrig mit etwas Holz. Mit mehr Luft kommt immer mehr Frucht - Kirsche, vielleicht etwas Zwetschge. Die feine Säure verleiht dem Mauerpfeffer eine Frische, die Lust aufs Nachschenken macht.. Es wird sicherlich spannend, die Entwicklung dieses Weines in den nächsten Jahren zu beobachten. Die 2013 gepflanzten Reben wachsen auf dem Cannstatter Zuckerle, einer mit zahlreichen Trockenmauern gespickten Einzellage in Stuttgart. Das Weingut wird im Eichelmann 2020 mit dem Titel "Weingut des Jahres - Beste Rotweinkollektion" ausgezeichnet.
Satin Noir ist (wie VB Cal. 1-22) eine der zahlreichen Piwis von Valentin Blattner aus dem schweizer Jura. Es handelt sich um eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und einigen Resistenzpartnern, also zuvor gezüchteten Nachkommen amerikanischer und asiatischer Wildreben. Die Rebsorte soll stilistisch in die Richtung reifer Cabernet Franc gehen. Das Weingut Galler gehört zu den Experten in Sachen Piwis und vermarktet die Weine selbstbewusst. Mit der Kunigunde ist ihnen ein dunkler, dichter Rotwein gelungen, der außer der typischen Cassis-Cabernet-Aromatik auch kräutrige Nuancen zu bieten hat.
Naturweine sind nicht jedermanns Sache, das wissen sie auch bei Ploder-Rosenberg in der Steiermark. Nichtsdestotrotz hat sich der Mut, mit dem Kara einen minimalbehandelten Wein anzustellen, voll ausgezahlt. Mit einer Bewertung von 9.0 Punkten kann die Cuvée aus 50% Souvignier Gris und 50% Bronner auch unsere jungen Weintrinker*innen voll überzeugen. Das besondere an diesem Wein ist sicherlich seine Struktur, sein feiner Grip und Schmelz. Spontan vergorene Weine überzeugen oft mit ihrer Tiefe, das konnten wir bei dieser Verkostung wieder feststellen. Die Verkoster*innen kleben förmlich am Glas und schenken sich nach, weil da immernoch mehr zu sein scheint. Für fortgeschrittene Weinfans sei noch erwähnt, dass es sich um recht junge Reben handelt (was bei der ganzen Piwi-Geschichte häufig in der Natur der Sache liegt), der Wein komplett durchgegoren ist, in großen Fässern lag, ein Jahr Vollhefe, ein halbes auf der Feinhefe genießen durfte und unfiltriert abgefüllt wurde. Der Wein wird sicherlich eine spannende Entwicklung hinlegen.
Erwähnenswert, weil eine kleine bis mittlere Sensation, ist Garagenwinzer Alois Metz. Der frühere Direktor einer Volks- und Raiffeisenbank bewirtschaftet einen Weinberg mit 25 Ar in Herxheim an der Weinstraße. Dort pflanzt er die weiße Solaris und den roten Cabaret Noir. Mit beiden Rebsorten schafft er es in unsere Piwi-top 30, wobei der Rotwein mit seiner vollmundigen Cassisfrucht besonders heraussticht.
Daniel Molitor vom Weingut Viermorgenhof an der Mosel und seine Frau Julia produzieren unter dem Label Stairs n'Roses zum Teil experimentelle Weine, die mit Althergebrachtem brechen und vor allem ein junges Publikum ansprechen. Ihr Next Generation ist eine Cuvée aus 50% Cabernet Blanc und 50% Sauvignac. Exotische Frucht und ein Hauch Paprika, die dem ganzen Spannung verleiht, machen den Wein zu einer sehr guten Alternative für Sauvignon Blanc-Fans.
Eine überzeugende Piwi-Kollektion liefert das Weingut Abthof mit seinen Auftakt-Weinen. Auch hier liegt der rote Auftakt Monarch mit vollem Körper, dichter, dunkler Beerenfrucht und feinem Tannin vorne. Mit der Auftakt Muscaris Beerenauslese kommt auch der einzige edelsüße Wein in dieser Liste vom Abthof. Muscaris ist das Piwi-Pendant zum Muskateller. Die Beerenauslese punktet mit exotischer Aromenvielfalt und kann der Süße eine feine Säure gegenüberstellen. Das Passt sicher gut zu Ziegenkäse oder einem fruchtigen Dessert. Der Auftakt Souvignier Gris ist da deutlich leiser und kommt über seine Struktur, die an Grauburgunder erinnert.
Dass Piwis sich auch zum Keltern von Sekt hervorragend eignen zeigen der Jacques Sekt brut nature 2015 von Dr. Wobar aus Brandenburg (!) und der Johanniter Sekt brut 2015 von Andreas Dilger. Für beide Schaumweine wurde die Rebsorte Johanniter verwendet, die von der Stilistik irgendwo zwischen Riesling und Burgunder liegt. Der Sekt ist entsprechend etwas frischer und fruchtiger als der klassisch cremige und zuweilen etwas herbe Burgundersekt.