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wein verstanden.

Der gute Tropfen

Was macht einen guten Wein aus?

Auf den ersten Blick ist die Antwort auf diese Frage leicht: Ein guter Wein ist natürlich der, der schmeckt. Nun ist Geschmack etwas sehr subjektives, dennoch sind sich viele Weintrinker oft überraschend einig, wenn es um die Bewertung eines Weines geht. Was also sind die Komponenten, die an guten Weinen geschätzt werden? In Die Entwicklung wurde ja bereits angedeutet, dass der Geschmack des Weintrinkers sich sehr stark verändern kann. Viele Weine, die Anfängern gefallen (oft fruchtige, angenehm zu trinkende Weine), finden langjährige Weintrinker langweilig. Andersherum sind gereifte, komplexe Weine, wie viele Weinkenner sie bevorzugen, dem Anfänger oft zu anstrengend. Das hat wohl damit zu tun, dass der Weintrinker mit jedem Wein, den er trinkt, mehr Nuancen wahrnimmt. Unkomplizierte Weine lassen es oft an der Vielfalt solcher Nuancen vermissen, sodass sich unser "Profi" langweilt. Es ist also schwierig, einen absoluten Wert zu finden, der die Güte eines Weines darzustellen vermag. Die beiden Variablen "Trinkfluss" und "Komplexität" sind jedoch sicher Eigenschaften, die viele an Weinen schätzen. Die wenigsten schwärmen von anstrengenden oder flachen, langweiligen Weinen.


Ich habe mir bei einer Rotweinverkostung, an der sowohl Anfänger als auch fortgeschrittene Weintrinker teilnahmen, die Mühe gemacht, Eigenschaften und eine Gesamtbewertung der Weine zu quantifizieren. Dafür sollten die Teilnehmer angeben, wie aromatisch, harmonisch, süß, sauer, fruchtig, tanninbetont, holzig, würzig und komplex sie die Weine fanden. Außerdem sollten sie die Weine auf der von vinwin genutzen Skala von 1 bis 10 bewerten. Die beiden Faktoren "rund, harmonisch, samtig" und "komplex, tief" waren mit großem Abstand die aussagekräftigsten Prädiktoren für die Bewertung der Weine, interessanterweise weit vor "aromatisch, intensiv". Das lässt sich zumindest als Hinweis verstehen, dass für viele Weintrinker ein guter Wein vor allem harmonisch und vielschichtig ist.


Vielleicht ist das der kleinste gemeinsame Nenner auf den wir Weinfreunde uns einigen können. Alles weitere ist dann wohl von den persönlichen Vorlieben abhängig: Mag man es lieber fruchtig oder mineralisch, lieber dunkle oder helle Beerenfruchtaromen, mag man Restzucker oder nicht, mag man Barriqueweine oder bevorzugt man reduktive Weine aus dem Edelstahltank? Im besten Falle sagen einem eine Menge verschiedener Typen und Stilistiken zu und man erfreut sich der Vielfalt der Weinlandschaft. Jeder Situation ihren Wein.


Wie wird guter Wein hergestellt?

Im Verlaufe der Produktion eines Weines steht der Winzer immer wieder vor Entscheidungen, die Einfluss auf das Erscheinungsbild des fertigen Weines haben. Möchte er einen jung zu trinkenden, fruchtigen oder lieber einen lange zu lagernden, ausdrucksstarken Wein herstellen? Setzt er dafür auf Reinzuchthefe oder Spontanvergärung? Reift der Wein im Holzfass oder im Stahltank? Die genannten sind in erster Linie Fragen der Stilistik. Es gibt keine "bessere" Entscheidung. Wichtig ist, dass der Winzer es versteht, diese Maßnahmen gekonnt einzusetzen, so, dass das Endprodukt stimmig ist. Andere Entscheidungen des Weinbauers betreffen das ökologische System, das Gleichgewicht und die Nachhaltigkeit in Weinberg und Keller. Werden Pestizide und Glyphosat eingesetzt? Die Zeilen zwischen den Reben begrünt? Kommen im Keller größere Mengen Schwefel und Filter zum Einsatz? Hier scheiden sich die Geister. Nicht wenige Winzer behaupten, dass ihre Weine seit der Umstellung auf Bio lebendiger und spannender geraten. Andere kaufen Bioweine schlicht aus ökologischen Gründen und nicht, weil sie sich davon mehr Genuss versprechen. Es gibt jedoch auch Maßnahmen, die in der Weinwelt allgemein als qualitätsfördernd angesehen werden. Die meisten dieser Maßnahmen verursachen leider Kosten und machen den Wein teurer. Zwei wichtige historische Schritte hin zu einer höheren Weinqualität waren eine gesteigerte Hygiene im Keller und die Ertragsreduzierung im Weinberg. Hierfür werden Teile der Trauben abgeschnitten, ehe sie reifen. Man verspricht sich davon eine höhere Aromenkonzentration und eine bessere Reife der am Stock verbleibenden Trauben. Natürlich bedeuten geringere Erträge auch weniger Wein und deshalb höhere Preise. Es gibt Rebsorten (z.B. Zweigelt), die mehr auf eine Reduzierung der Erträge angewiesen sind als andere (z.B. Müller-Thurgau). Zumeist ist es ratsam, für erstere mehr Geld auszugeben, während man bei weniger ertragssensiblen Rebsorten ruhig etwas knausern darf. Es gibt Weingüter, die eine starke Ertragsreduzierung aus Motiven der Stilistik ablehnen. Sie wollen gerne leichte Weine mit Trinkfluss produzieren. Eine andere wichtige Entscheidung, die ein Winzer treffen muss, betrifft den richtigen Lesezeitpunkt. Verschiedene Rebsorten reifen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Während der Reife wird Säure in den Trauben abgebaut und Zucker aufgebaut. Gleichzeitig werden Aromen ausgebildet und verändern sich. Der Sauvignon Blanc, zum Beispiel entwickelt zu Beginn der Reife grüne Aromen von Brennessel, Heu und grüner Paprika. Mit der Zeit bilden sich dann exotische Noten von Maracuja und Stachelbeere. Mit fortschreitender Reife steigt gleichzeitig das Risiko für Ausfälle. Fäulnis, schlechtes Wetter, Pilzkrankheiten, Vögel und die Kirschessigfliege können die Lese gefährden. Es gibt also viele Faktoren, die der Winzer bedenken muss: Erntet er zu früh ist der Wein zu sauer und dünn, liest er die Trauben zu spät, läuft er Gefahr, einen flachen, alkoholdominierten Wein oder sogar Ernteausfälle zu erhalten. Die Grundlage für einen guten Wein wird im Weinberg gelegt. Der Kellermeister kann aus schlechten Trauben keinen guten Wein zaubern. Er kann aber aus guten Trauben einen schlechten Wein keltern. Es gibt durchaus Möglichkeiten, mit minderwertigem Traubenmaterial umzugehen: Schönungsmittel und bestimmte Hefen können Fehltöne binden oder verhindern, sie entziehen dem Wein so aber auch erwünschte Aromen und Tiefe. Restzucker und Holz können Fehler überdecken. Ein lebendiger und harmonischer Wein entsteht so nicht.


Woran erkenne ich einen guten Wein?

Nicht wenige langjährige Weintrinker verlassen sich bei der Weinauswahl auf die Gestaltung der Flasche, ganz nach dem Motto: Wenn der Winzer in der Ästhetik Geschmack beweist, kann der Wein auch nicht so schlecht sein. Keine Sorge, es gibt auch etwas handfestere Hinweise, an denen man einen wahrscheinlich guten Wein erkennen kann. Leider ist das sehr oft der Preis. In vielen, aber nicht allen Fällen steigt mit dem Preis auch die Qualität. Die Kunst besteht also darin, innerhalb seines Budgets den richtigen Wein zu finden. Dafür sollte man seine Vorlieben kennen und kann sich dann an einigen weiteren Indizien orientieren. Diese sind nie als Garantie für einen guten Wein zu werten, sondern eher als Hinweis. Wie in Der Preis angedeutet, lässt sich der Weinkauf als Wette begreifen. Die hier genannten Faktoren helfen, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, diese Wette zu gewinnen. An erster Stelle stehen die geschützten Herkunftbezeichnungen und die Klassifikationen der einzelnen Weinbauländer und Anbaugebiete. Oft gilt dabei die Regel: Je genauer bzw. kleiner die geographische Herkunft eines Weines spezifiziert ist, desto besser ist er tendenziell. In Frankreich stehen dafür die Châteaux und die winzigen Appellationen innerhalb größerer Anbaugebiete (siehe z.B. Bordeaux), in Deutschland die bekannten Weinlagen. In Italien gibt es bestimmte D.O.C.'s, die auf Anbaugebiete begrenzt sind und bestimmte Vorgaben für die Produktion des Weines haben. Bezüglich der Klassifikationen gibt es z.B. in Deutschland verschiedene Qualitäts- und Prädikatsstufen, denen bestimmte Regeln zugrunde liegen. Der Standard ist der einfache Qualitätswein. Prädikatsweinstufen sind in aufsteigender Reihenfolge: Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und, als Spezialität, der Eiswein. Die letzgenannten sind in erster Linie Süßweine. Die Spanier klassifizieren ihre Weine gerne anhand der Zeit ihrer Lagerung im Holzfass. Hier sind die Stufen Crianza, Reserva und Gran Reserva. Genauere Informationen zu den Bestimmungen in den einzelnen Ländern und Anbaugebieten findest du hier. Ein Hinweis auf die Güte kann auch die Zugehörigkeit zu einem Weinbauverband mit eigenen Regeln sein. Das berühmteste Beispiel ist sicherlich der VDP, der für sich beansprucht, die besten deutschen Weingüter zu vertreten. Die Weine der Mitgliedsbetriebe werden in Gutswein, Ortswein, Erste Lage und Große Lage/Großes Gewächs klassifiziert. Auch hier greift die Regel: je genauer die Herkunft, desto besser.


Auf vielen Weinen prangen Medaillen oder Punkte irgendeines Weinjournalisten oder -magazins. Das allermeiste davon ist absoluter Schrott und sollte entweder ignoriert oder sogar gemieden werden. Die Punkte namhafter Bewerter sollten wiederum maximal als Indiz und nicht als absolute Wahrheit interpretiert werden. Die Unabhängigkeit ist nicht immer gewährleistet und oftmals werden derartige Weinverkoster dafür kritisiert, einen weichgespülten Standardgeschmack zu vertreten und die Eigenständigkeit oder die Besonderheiten bestimmter Anbaugebiete oder Stilistiken nicht zu würdigen oder gar zu gefährden. Vorsicht auch mit vermeintlichen Parkerschnäppchen: Ein 5 Euro billiger Mencía von vor 15 Jahren hat vielleicht damals seine 90 Punkte verdient. Inzwischen hat die Zeit und das Neonlicht des Supermarktes dem Wein höchstwahrscheinlich das letzte Fünkchen Lebensfreude genommen.


Du siehst, es ist nicht einfach und es gibt vieles zu beachten bei der Suche nach dem guten Wein für den fairen Preis. Wenn du diese sechs Grundregeln beachtest, bist du auf einem guten Weg:


1. Kaufe Wein, der in einem Weingut oder von einer Genossenschaft hergestellt wurde, keine Markenweine.
2. Gib mindestens um die fünf Euro für eine Flasche Wein aus.
3. Kaufe nur Weine, die halbwegs genau angeben, wo sie herkommen.
4. Kaufe Weine, bei denen du spätestens im Internet herausfinden kannst, welche Rebsorten drinstecken.
5. Achte darauf, dass der Alkoholgehalt zum erwünschten Typus passt. Willst du einen trockenen Wein, sollte er im Normalfalls mindestens 10,5% Alkohol haben. Willst du einen dunklen, vollmundigen Rotwein, sind 12% oft zu wenig.
6. Kaufe keine zu alten Weine und warte bei Weinen, die Zeit brauchen, mit dem Trinken. Ein Wein kann sich innerhalb eines Jahres gewaltig verändern. Leichte, frische Weißweine und Sekt sollten möglichst jung getrunken werden. Dunkle, mediterrane Rotweine brauchen oft mindestens zwei oder drei Jahre, um die Tannine etwas abzurunden. Auch gehaltvolleren Rieslingen kann man ruhig etwas Zeit geben.